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Foto: W. Nienstedt

Das Foucault-Pendel im Augsburger Gaskessel ist mit einer Pendellänge von ca. 70 Metern eines der längsten aktiven Pendel der Welt (einige Meter länger als das berühmte Original im Pariser Panthéon). Daraus resultiert eine extrem langsame Pendelbewegung - rund 17 Sekunden für eine vollständige Schwingung.

Dem langsamen Schweben der beleuchteten Pendelkugel zuzusehen, hat eine geradezu hypnotische Wirkung. Der physikalische Effekt des historischen Experiments dürfte den meisten Beobachtern jedoch entgehen: Da die Erde mit uns um das in der Pendelbewegung verharrende Objekt rotieren, scheint sich die Pendelebene im Laufe der Zeit zu drehen. Allerdings dauert eine komplette Rotation etwa 32 Stunden. Bis eine Abweichung mit bloßem Auge sichtbar wird, vergeht viel Zeit. Bach_10k macht den Zeitmaßstab auf andere Weise sinnlich erfahrbar: Mit jeder Note dreht sich die Welt um 0,05 Grad. Über den musikalischen Umweg wird das Ohr zum physikalischen Präszionsmeßgerät.

Die Struktur des Stücks verschwindet in der Verlangsamung um mehr als das Hundertfache gegenüber dem Originaltempo. Dennoch erfährt der Zuhörer den musikalischen Spannungsbogen, den der geniale Komponist in der einfach strukturierten Tonfolge angelegt hat – vielleicht sogar noch intensiver als im normalen Vortrag. Auch ohne musikalisches Vorwissen oder gar die Kenntnis des Notentextes, ist die harmonische Evolution des Klangraums körperlich spürbar.

Das Stück besteht aus einer Folge von nacheinander angeschlagenen Dreiklängen, die im regelmäßigen Takt die Harmonie wechseln. Dabei wechselt harmonische Spannung und Entspannung etwa alle 10 Minuten. Der Besucher erfährt die musikalische Entwicklung und wird neugierig auf die nächste harmonische Auflösung der aufgebauten Spannung. Der warme Grundklang der Pfeifen lädt zum Verweilen ein.
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Wer genau hinhört, kann schon in der nahen Umgebung des Gasbehälters den Klang im Geräuschteppich des Industriegebiets erahnen. Am Fuß der Treppe, über die das Bauwerk seit kurzem bis zu einer Aussichtsplattform auf dem Dach zu besteigen ist, teilt sich das Bauwerk als große Klangskulptur mit.
Durch die Strapaze des Aufstiegs und durch den erstaunlichen Ausblick vom Dach des Gaskessels, dem zweithöchsten Bauwerk Augsburgs, wird die Dimension körperlich erfahrbar. Beim Betreten des Innenraums wird auch das aus trockenen technischen Daten kaum zu erfassende Volumen des Baukörpers erlebbar: Die 100.000 Kubikmeter Luft füllen sich mit Klang.
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Die musikalische Entwicklung der permanent betriebenen Installation ist auch für den Hörer spürbar, der einen zufälligen Ausschnitt der Komposition erlebt. Eine Konzertsituation mit musikalischem Anfang und Ende ist nicht beabsichtigt, zum intellektuellen Verstehen des Stücks auch nicht nötig, es ist aber auch denkbar, dass interessierte Gruppen im Rahmen von meditativen Veranstaltungen tatsächlich das gesamte Stück von Anfang bis Ende erleben wollen. Die Plattform im Kessel bietet ausreichend Raum, um dieses Klanggeschehen in bequemer Position zu erkunden.